Ist Stealthing eine Straftat?

Stealthing ist ein Begriff, der es in den letzten Monaten immer wieder in die öffentliche Diskussion und in den Gerichtssaal geschafft hat. Dabei handelt es sich beim Stealthing an sich nicht um einen eigenen Straftatbestand. Die Frage, die sich in den Medien und auch Richtern immer wieder stellt, ist: Inwiefern ist das Abziehen des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs eine strafbare Handlung?


Der Gesetzgeber hat dazu noch keine eigenständige Regelung getroffen. So sucht man einen Tatbestand, der ausdrücklich das Stealthing unter Strafe stellt, im StGB und anderen Gesetzbüchern vergeblich. Es ist daher weiterhin Aufgabe der Gerichte, darüber zu entscheiden, in welchem Umfang Handlungen im Zusammenhang mit Stealthing eine Straftat darstellen. Fakt ist jedoch, dass es solche Handlungen bereits mehrfach bis zur Anklage geschafft haben. Zuletzt hat sich sogar der Bundesgerichtshof (BGH) zum Stealthing geäußert. Was genau bei Stealthing drohen kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.

 

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Was bedeutet Stealthing?

Stealthing beschreibt die Handlung, dass eine männliche Person während des Geschlechtsverkehrs heimlich, also ohne das Wissen und das Einverständnis des Sexualpartners, das Kondom abzieht oder dieses von Beginn an nicht verwendet, obwohl geschützter Geschlechtsverkehr mit Kondom vereinbart wurde. 

 

Der Begriff Stealthing leitet sich dabei von dem englischen Begriff “Stealth” ab, was so viel wie “Heimlichkeit” oder “List” bedeutet. Als Verb ist damit so etwas wie “etwas listig oder heimlich tun” gemeint. Das bezieht sich im deutschen Sprachgebrauch auf genau jene heimliche Handlung des Abstreifens oder Weglassens eines Kondoms. 

 

Entscheidend für eine mögliche Strafbarkeit beim Stealthing ist, dass der unwissende Sexualpartner ausdrücklich den Wunsch auf geschützten Sex geäußert hat (“Safer Sex”) und dieser Wunsch bewusst missachtet wird. Der Sexualpartner muss also gezielt hintergangen werden, obwohl er ausdrücklich Wert darauf gelegt hat, dass es sich um geschützten Geschlechtsverkehr handelt. Eine Gleichgültigkeit bezüglich der Verwendung eines Kondoms schließt Stealthing demnach grundsätzlich aus. 

 

Als “Täter” kommt in der Regel nur ein Mann in Frage, der ein Kondom verwenden soll. Doch auch die Verwendung eines Frauen-Kondoms ist denkbar. So können die unwissenden Sexualpartner sowohl Männer als auch Frauen sein. Auch bei Analverkehr kann es zum Stealthing kommen. Dafür spricht auch, dass sich die vermeintliche Verwerflichkeit nicht nur bezüglich einer möglichen ungewollten Schwangerschaft ergibt, die durch die Verwendung eines Kondoms verhindert würde, sondern auch oder insbesondere bezüglich des Risikos der Infizierung mit sexuell übertragbaren Krankheiten, welche durch die Verwendung eines Kondoms ebenfalls verhindert würden.  

 

Inwiefern ist Stealthing in Deutschland strafbar?

Im Gesetz findet sich kein eigenständiger Straftatbestand zum Stealthing. Eine Strafbarkeit wegen des Weglassens eines Kondoms ist vielmehr eine neue Entwicklung durch die Rechtsprechung. Und auch der BGH bejaht eine Strafbarkeit bei Stealthing, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. 

 

Es kann ein sexueller Übergriff (§ 177 Abs. 1 StGB) vorliegen, wenn der andere Sexualpartner dem Geschlechtsverkehr nur bei Verwendung des Kondoms zugestimmt hat. Es muss ihm oder ihr daher erkennbar darauf ankommen, dass Safer Sex praktiziert wird. In einem solchen Fall stehe das Weglassen oder Abziehen des Kondoms dann dem erkennbaren Willen der Person entgegen und begründe somit einen sexuellen Übergriff. Eine Gleichgültigkeit bezüglich der Verwendung eines Kondoms genügt nicht, um eine Strafbarkeit zu begründen. 

 

Unerheblich ist dabei, wann der Wille geäußert wird oder ob vorher beispielsweise ungeschützte Handlungen vorgenommen wurden, wie etwa Oralverkehr. Auch inmitten der sexuellen Handlungen kann demnach noch ausdrücklich der Wille geäußert werden, dass ein Kondom verwendet werden soll. Ab dem Zeitpunkt der Willensäußerung ist der weitere Geschlechtsverkehr dann nur noch unter der Bedingung der Verwendung eines Kondoms einvernehmlich und das Stealthing unter Umständen strafbar. 

 

Kommt es zu einer Übertragung einer Sexualkrankheit durch das Stealthing, kann darüber hinaus auch eine Verurteilung wegen (fahrlässiger) Körperverletzung in Betracht kommen. 

 

Stealthing: Sexueller Übergriff oder Vergewaltigung? 

Der BGH bejaht darüber hinaus in bestimmten Fällen auch Strafbarkeit wegen Vergewaltigung (§ 177 Abs. 6 StGB). Eine Vergewaltigung liegt allgemein dann vor, wenn es beim sexuellen Übergriff zum Eindringen in den Körper der anderen Person kommt. Eine konkrete Entscheidung des BGH hierzu gibt es bisher allerdings nicht. 

 

Damit ist grundsätzlich nicht nur eine Verurteilung wegen eines sexuellen Übergriffs möglich, für den eine Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten und bis zu 5 Jahren droht, sondern auch eine Verurteilung wegen Vergewaltigun, bei welcher eine Freiheitsstrafe von nicht unter 2 Jahren droht

 

Kommt es zu einer Schädigung der Gesundheit durch eine sexuell übertragbare Krankheit der unwissenden Person, so kommt zusätzlich eine gefährliche Körperverletzung in Betracht (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Hier droht eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten und bis zu 10 Jahren

 

Auch ein zivilrechtlicher Anspruch des Geschädigten auf Schmerzensgeld ist nicht ausgeschlossen. In der Vergangenheit konnte z. B. eine Geschädigte eine vierstellige Summe erstreiten – auch ohne eingetretene Körperverletzung. 

 

Beschuldigte sollten sich daher bewusst sein, dass ein solcher Vorwurf erhebliche Konsequenzen haben kann. Neben den straf- und zivilrechtlichen Folgen eines Ermittlungsverfahrens kommt auch der Reputationsschaden, den sie erleiden können, hinzu. Dieser kann im Zweifel sogar härter wirken als eine Verurteilung. 

 

Beschuldigt wegen Stealthing? Das sollten Sie jetzt tun  

Beschuldigte sollten einen Vorwurf wegen Stealthing immer ernst nehmen. Seien Sie sich bewusst, dass es sich um eine Straftat handelt, gegen die mit aller Härte des Gesetzes vorgegangen werden kann. Insbesondere, weil auch eine Verurteilung wegen Vergewaltigung drohen kann, sollten Sie den Vorwurf nicht auf die leichte Schulter nehmen.

 

Es gilt zudem: Machen Sie keine Aussage bei der Polizei. Durch eine Aussage können Sie sich im Zweifel selbst belasten, ohne es zu merken und auch wenn Sie unschuldig sind. Kontaktieren Sie stattdessen unsere erfahrenen Strafverteidiger


Wir werden zunächst den Vernehmungstermin absagen und Akteneinsicht beantragen, um den Stand der Ermittlungen einzusehen. Machen Sie in der Zwischenzeit immer von Ihrem Recht zu schweigen Gebrauch und vermeiden Sie den Kontakt zu allen Beteiligten, auch zum vermeintlichen Opfer.

 

Werden Sie einer Straftat beschuldigt? Notieren Sie sich unsere Nummern, um uns schnellstmöglich und auch im Notfall zu erreichen:

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